Die koptische Version des Johannesevangeliums

Pergamentblatt mit sahidischem Text des Johannesevangeliums © Österreichische Nationalbibliothek (Reproabteilung) K. 9085v

Pergamentblatt mit sahidischem Text des Johannesevangeliums © Österreichische Nationalbibliothek (Reproabteilung) K. 9085v

Unter den altkirchlichen Übersetzungen des Neuen Testaments ist jene in koptische Sprache die bedeutendste Übersetzung. Koptisch – der Begriff wird meist von dem griechischen Wort Aigyptiakos (Ägypter) abgeleitet – ist die jüngste Sprachstufe des Ägyptischen und verwendet griechische Schriftzeichen sowie eine Reihe von Sonderzeichen, die dem älteren ägyptischen Alphabet entlehnt sind, um das Ägyptische aufzuzeichnen. Innerhalb dieser Sprache ist für das Johannesevangelium der sahidische Dialekt der wichtigste. Bisher existiert noch keine kritische Edition dieser wichtigen Übersetzung des Neuen Testaments, welche auch die zahlreichen seit der Edition von Horner (1911) bekannt gewordenen Handschriften berücksichtigt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die koptische Überlieferung des Johannesevangeliums als Zeuge des so genannten Alexandrinischen Textes auch Varianten bezeugt, die bisher nicht - oder nicht in dieser Form - in griechischen Handschriften des Neuen Testaments bezeugt sind, da die Übersetzung in das Koptische bereits Ende des zweiten Jahrhunderts begann. Die handschriftliche Überlieferung des griechischen Textes des Neuen Testaments beginnt zwar früher, setzt aber in großem Stil erst wirklich nach dem Ende der Verfolgungen, d.h. nach dem ersten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts ein.

Trotz ihrer textgeschichtlichen Bedeutung sind bisher nur von sehr wenigen Schriften des Neuen Testaments kritische Editionen der koptischen Überlieferung vorhanden. In diesem Zusammenhang ist auch die Erforschung der sahidischen Überlieferung des Johannesevangeliums bislang noch ein Desiderat sowohl der koptologischen als auch der neutestamentlichen Forschung. Ziel des an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien in enger Zusammenarbeit mit Prof. Karlheinz Schüssler (biblia coptica; www.k-schuessler.com) durchgeführten FWF-Projektes ist die Vorbereitung einer kritischen Edition der sahidischen Version des Johannesevangeliums. Zur Erstellung der kritischen Edition werden alle bekannten Handschriften dieses Textes im sahidischen Dialekt - sechs vollständige und rund 190 bruchstückhafte – herangezogen und kollationiert. Ziel ist es, für die höchst umfangreichen Transkriptionen eine elektronische, via Internet zugängliche Publikation zu bieten, die eine interlineare Präsentation der Textvarianten ermöglicht. Dies geschieht in enger Anbindung an das Editio-Critica-Maior-Projekt des Johannesevangeliums (http://www.iohannes.com). Es ist geplant, darüber hinaus auch die (weit weniger umfangreichen) proto-bohairischen und achmimischen Überlieferungen zu berücksichtigen. Neben einer übersichtlichen Aufbereitung aller koptischen Textvarianten ist ein weiteres wesentliches Ziel des Projektes die sprachliche und textkritische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Frage, welche griechische(n) Version(en) als Vorlage für die sahidische Übersetzung bzw. eine Textvariante der sahidischen Übersetzung diente(n). Es ist geplant, die hier erzielten Ergebnisse betreffend der verwendeten griechischen Vorlage(n) in einer separaten Publikation der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Ergebnisse des Projekts sind - abgesehen von dem Nutzen für die Koptologie - von besonderer Bedeutung für die Erstellung des Textes des Johannesevangeliums im Rahmen der Editio Critica Maior, die neben allen bekannten griechischen Handschriften auch die altkirchlichen Übersetzungen (Lateinisch, Syrisch etc.) zur Erstellung des kritischen Apparats und zur Dokumentation aller bekannten Lesarten heranzieht. Als wichtigste altkirchliche Übersetzung darf hier die koptische Überlieferung nicht fehlen. Die im Projekt erzielten Ergebnisse der Arbeit mit der sahidischen Übersetzung in der ganzen Breite ihrer handschriftlichen Überlieferung werden unmittelbar in die Arbeiten der Editio Critica Maior am Johannesevangelium einfließen und damit für weiteste Kreise der Bibelwissenschaft fruchtbar gemacht. 

P22017-G15: Laufzeit Januar 2010-Dezember 2012

Im Rahmen des FWF-Projekts P22017-G15 wurden mehr als 60% der bekannten sahidischen Handschriften (bzw. ihrer Fragmente) der sahidischen Version des Johannesevangeliums transkribiert. Die Arbeit mit den wichtigsten Handschriften bildete die Grundlage für eine Revision der koptischen Bezeugung von Textvarianten des Johannesevangeliums im kritischen Apparates der 28.Auflage des Novum Testamentum Graece.

P25082-G15: Laufzeit Januar 2013-Dezember 2015

Das FW-Projekt 25082-G15 schließt inhaltlich direkt an das Projekt P22017-G15 an. Im Rahmen dieses Projekts soll die Transkription aller bekannten sahidischen Handschriften des Johannesevangeliums abgeschlossen werden. Dies bildet die Grundlage für die Berücksichtigung der koptischen Überlieferung für die Editio Critica Maior des Johannesevangeliums.

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